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Der Wachmacher

Am Morjen um Fünfe kriech ick aus dem Bett,
Ick quäle und schlepp mir auf Eichenparkett
Zum Frühstück und knipse dit Radio an,
Es dudelt und quasselt der Nachrichtenmann.

Und weil ick vor Müdigkeit nüscht weiter schaffe,
Drum gönn ick mir erstmal zwee Kaffee mit Kaffe.
Die schwärzeste Brühe mit Zucker muss her,
Sonst klappt mir dit Ooge, die Lider so schwer.

Ick kipp mir dit dampfend Jesöff in die Birne,
Nun arbeitet’s wieder in meenem Jehirne,
Ick fühl mir lebendig, so richtig doll wach,
Und wünsch dir, meen Lieba, nen blendenen Tach.

David Damm, 2017

Acht Monate im Wald

Ich habe gerade auf Fritz den Blue Moon mit Caro Korneli gehört. Gleich zu Beginn rief Holger (54) mit einer unglaublichen Geschichte an:

Letzten Winter war Holger einige Zeit auf Montage in Spanien. Seine Frau, mit der er seit 20 Jahren verheiratet ist und sein Sohn blieben in Deutschland. Sie hatten nur sporadischen telefonischen Kontakt. Und plötzlich hatte er kein Geld mehr, weil seine Frau das gemeinsame Konto gesperrt hatte. Mit Mühe und Not kam er nach Hause zurück. Die Wohnung war weg. Der Hund war tot. Die Frau war verschwunden. Und der Sohn stellte sich als Kuckuckskind heraus.
Er stand auf der Straße mit leeren Taschen. Doch statt in ein Obdachlosenheim einquartiert zu werden, wollte er lieber in den Wald. Mit viel Geduld und Ausdauer überzeugte er die Behörden von seinem Vorhaben und sie spendierten ihm ein Zelt. Er schlug es im Wald auf und umzäunte es. Der Zaun sollte die Wölfe und andere unliebsame Gäste von seiner Hütte, er nannte sie Finka, fern halten. Eine Füchsin wurde im Laufe der acht Monate, die er dort verbrachte, zu einer guten Freundin. Sie schaute jeden Tag bei ihm vorbei. Er fütterte sie. Sonst war er ganz allein im Wald. Abgesehen vom täglichen Besuch auf dem Arbeitsamt. Dort musste er sich jeden Wochentag melden, um dann am Freitag den Tagessatz für die kommende Woche – knapp 100 Euro – zu erhalten. Für den Wald kaufte er sich regelmäßig Batterien, damit er dort Radio und wenigstens ein paar Stimmen hören konnte, um nicht verrückt zu werden. Und wenn die Batterien aufgebraucht waren, so hatte er doch vorgesorgt und hielt einen kleinen Stapel an Büchern bereit. Er las gern in der Stille der Natur. Seine letzte Lektüre war »Wolfsgeschrei«.
Heute war jedoch ein besonderer Tag. Ein guter Tag! Er hatte Aussicht auf eine Wohnung. Einen Neuanfang. Morgen schon! Morgen würde er hoffentlich den Mietvertrag unterschreiben und ein neues Leben beginnen.

Berührt von dieser traurigen, aber hoffnungsvollen Geschichte, rief ich im Radio an. Ich wollte Holger einen kleinen Gruß, einen Mutmacher da lassen. Und da ich erst vor kurzem ein Waldgedicht geschrieben hatte, trug ich »Im Grunewald« vor.

Doch hört selbst!

Ab der 4. Minute gibt es Holger zu hören.
Ab der 31. Minute bin ich im Radio.

Den Podcast vom 15. Oktober 2014 mit Caro Korneli findet man für kurze Zeit unter www.fritz.de/media/podcasts/sendungen/blue_moon.html.