Das Blog für Lyrik, Prosa, Musik und Ton.

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Kudamm

Ich steh am Kudamm in Berlin,
Wo Enten durch die Straßen zieh’n,
Der Storch stakst durch den grünen Flor,
Am Zebrastreifen steht davor
Ein Schimmel, mit den Hufen scharrend,
Weil auf der Bahn, nur kurz verharrend,
Die Schnecken schnell vorüber sausen,
Ihr Fahrtwind lässt mein Haar zerzausen.

Und in den Bäumen sitzt sogar
Der eine oder and’re Star,
Die herzlich miteinander plappern,
Der Storch stimmt ein mit lautem Klappern,
Am Baumstamm pocht der bunte Specht
Natürlich auf sein gutes Recht.
Und doch ist’s ungewöhnlich still,
Ach Mist, ich weiß‘: April, April.

David Damm, 2022

Bianca Körner zelebriert im April auf Instagram den Poesiemonat, den National Poetry Month. Jeden Tag stellt sie eine Aufgabe und ich mache mit.
Die 1. Aufgabe lautete: »Schreibe ein Aprilscherzgedicht.«

Am Weihnachtsmorgen

Die sehnsüchtig erwartete Heilige Nacht
Hat tausende Sterne zu uns gebracht.

Noch gehen kaum Menschen auf den Wegen,
Die meisten von ihnen schlafen mit Segen.

Die Dächer sind weiß bedeckt und rau,
Mit Eisdiamanten statt Morgentau.

Eine geplusterte Taube sitzt auf dem Dach,
Sie gurrt und macht die Nachbarschaft wach.

Aus einigen Schornsteinen qualmt der Rauch,
Geschmückt steh’n die Tannen, wie es der Brauch.

Entpackte Geschenke steh’n unter dem Baum,
Der Duft von Zimtsternen schwebt durch den Raum.

Draußen von Ferne tönt Hundegebelle,
Es schlagen die Glocken der Kirchenkapelle.

David Damm, 2021

Sternstunde

Staunend steh ich auf der Straße
Den Blick hoch in die Nacht gestellt,
Denn hinter all den Gaslaternen
Gibt es noch eine and’re Welt.

Sind’s in der Stadt nur hundert Sterne,
Sind’s auf dem Land schon tausend mehr,
Wie viele funkeln über allen?
Wer weiß, das Zählen fällt mir schwer.

Doch unterm Licht der Sternbildzeichen
Zieh’n Gänse südwärts irgendhin,
Verborgen sind sie meinen Augen,
Ihr Schnattern ist mir Lustgewinn.

Des Mondes Sichel wird bald sinken,
Sie steht knapp überm Nachbarhaus,
Der Mond scheint jetzt so hell, viel größer,
Ich gebe innerlich Applaus.

Kühl ist es um mich geworden,
Meine Lippen zittern, beben,
Ach, wie schön, es lässt mich spüren,
Welch ein Glück es ist zu leben.

David Damm, 2021

Caipirinha

Caipirinha, ein kleines Bauernmädchen,
Offenbarte ihr bestes Geheimnis: sie nahm
Cachaça, brasilianisches Feuerwasser,
Kaltes Eis, zerstoßen, ganz wundersam
Taumelnde Kristalle von braunem Rohrzucker,
Auf später im Mundwinkel zuckende Limetten,
In ein durchsichtiges Glas mit Strohhalm – heute
Lieblingsgetränk im Sommer in Städten.

David Damm, 2021

Dieses Gedicht wurde im Rahmen der Juniverse-Challenge zum Begriff »Cocktail« verfasst.

Lockdown

Die Straßen und Gassen sind leer und verlassen,
Niemand geht raus zum Flanieren.
Vom Fenster aus sehe ich Füchse und Rehe,
Die Stadt gehört nur noch den Tieren.

David Damm, 2021

Die Himmelsleiter (Himmel über Berlin)

Die Leiter zum Himmel steig ich hinauf,
Erklimme sie Sprosse um Sprosse,
Allmählich verklingen die Rufe der Stadt,
Hier wo man Höhe und Weitblicke hat,
Erzitternd auf dem Dachgeschosse.

Es gurren die Tauben, die Möwe kreischt,
Und unten plätschert die Spree,
Zwei bronzene Spitzen zerteilen die Welt,
Ein Himmel, der fast auseinander fällt,
So wie ich am Abgrunde steh.

Die silberne Kugel dreht sich im Wind,
Ich kann sie ja fast schon berühren,
Gewagt ist der Sprung aufs Kinderkarussell,
Mein Herz pocht laut und rast irre schnell,
Lässt Freiheit und Leben mich spüren.

David Damm, 2020

Gladbach

Es chillte ein Biber in Gladbach
Im Schatten, dort unter dem Blattdach,
Doch dann tauchten auf,
Mit Trommel, hau drauf,
Die Kinder, und machten die Stadt wach.

David Damm, 2017

Wolkenmaschen

Wolkenmaschen,
Mit kalter Nadel gestrickt,
Verhüllen die Stadt
Unter einer Wolldecke
In weiß, blau, rot und grau.

David Damm, 2017

Die Tüte

Eine große weiße Plastiktüte mit blauer Aufschrift steht auf dem Sitz neben dem Mann in der S-Bahn. Die Beine hat er zusammen gezogen und die Hände dazwischen geklemmt.
An seinem linken Fuß steht eine Bierflasche auf dem Boden. Er greift nach ihr, nimmt den letzten Schluck und kramt dann in der Tüte. Mit gerötetem Gesicht, einer Knollnase und dünnem Haar erinnert er an Harald Juhnke. Er tauscht die Flasche gegen eine volle aus. Die Verschlusskappe zischt und er kostet von ihrem Inhalt.
Auf der Tüte steht: »Achtung! Patienten-Eigentum!«

Der Hausspatz

spatzen-am-meisenknoedel

An einer Ecke in Berlin
Schwingt an ’nem Straßenschild
Ein Meisenknödel hin und her,
Und macht die Spatzen wild.

Sie kommen aus dem Waldgesträuch
Und piepsen keck mit Lust,
Ein Sonnenblumenkern, der schmeckt,
Und stärkt die schmale Brust.

Die Menschen fegen durch das Laub,
Die Spatzen fliegen flach,
Sie stieben fort als flinker Schwarm,
Und landen auf dem Dach.

Der Schornstein raucht, der Himmel blaut,
Die dünnen und die dicken,
Die hocken sich im Sonnenschein
Auf’s Fensterbrett und picken.

Der Giebel ist aus rauhem Holz,
Dahinter Gelb vom Stroh,
Ein Spatz schlüpft durch den engen Spalt,
Und haust dort warm und froh.

November liegt schon in der Luft,
Es tschilpt ein kleiner Matz,
Gefüttert werden möcht‘ er liebst
Von seinem Elternspatz.

David Damm, 2016

 

Hannover

Studenten sitzen in ihren Dachfenstern. Sie wohnen alle im selben Haus, womöglich im gleichen Aufgang. Sie haben sich ein Kissen oder eine Decke auf das Fensterbrett gelegt und lesen ein Buch oder tippen auf dem Smartphone. Auf einer begrünten Dachterasse bügelt ein Mann nackt seine Wäsche. Valentin Klein verkünden große Buchstaben an der Hauswand. Der Zug fährt in den Hauptbahnhof ein – Willkommen in der Messestadt. An einer Fassade gegenüber des Bahnsteigs steht gesprayed »Slam loves H’over«. Daneben eine kleine Sprechblase mit einem gelben zwinkernden Smiley: »Me not. Moses.« Eine Partei hat ganz Hannover im Blick. Die Sonne scheint rot. Es stehen Wahlen an. Der Himmel ist weiß zerfedert mit einem Schimmer von Blau. Einen Augenblick später rast der Zug aus der Stadt. Die Strommasten biegen sich. Vorbei an Baracken. Vorbei an Graffiti. »H’over loves you.«

Hannover1

 

Grand Beton

Ich wohne jetzt im Grand Beton,
In schlichtem Grau, doch mit Balkon,
Mir ist als hätt‘ ich ’ne Vision
Von meinem Hotel Grand Beton.

Ich wohne jetzt im Grand Beton,
Die Leute kennen mich hier schon,
Ich habe Festnetztelefon
In meinem Hotel Grand Beton.

Ich wohne jetzt im Grand Beton,
Die Lage ist ein Lutschbonbon,
Es brummt und rattert monoton,
Vor meinem Hotel Grand Beton.

Ich wohne jetzt im Grand Beton,
Ganz oben wie auf einem Thron,
Sie glauben ich hätt‘ ne Million
Und mir gehört‘ das Grand Beton.

David Damm, 2016

Die Arena

Schrille Schreie am frühen Himmel,
Zwischen roten Backsteinen unter’m blauen Dach.
Dutzende Mauersegler,
Ihre Runden ziehend
Wie aufgeregte Kinder auf dem Karussell.

Im Mittelpunkt die haushohe Tanne,
Die im Winter mit Schnee bedeckt
Und von Kerzenlichtern erhellt,
Allein und festlich steht sie da,
Bewacht den Hof mit ihrem dunklen Grün.

Im dritten Geschoss hängen Nistkästen,
Unter glänzenden Dachpfannen,
Über geöffneten Fenstern, in die der Sommer strömt.
Ein lautloses Gleiten und rastloses Segeln –
Wie schön ist die Luft!

David Damm, 2016

Erwachen einer Stadt

Die Müdigkeit auf Straßen fällt,
Der seichte Nebel fort entschwebt,
Kaum Tageslicht die Stadt erhellt,
Der Bahnhof leer und unbelebt.

Die Straßen ewig lang und breit,
Die Ampeln geh’n mit Taktgefühl,
Sie schlagen schneller mit der Zeit,
Als hätten sie ein Reiseziel.

Drei hagere Gestalten steh’n
Im Schein des fahlen Neonlichts,
Die Pflicht zur Arbeit hinzugeh’n –
Ein Zug kommt jeden Augenblick.

Die dicken Straßentauben gurr’n,
Laut aufgeschreckt durch Polterei,
Von Rädern, die durch’s Gleisbett surr’n
Und quietschend Halten auf Gleis Zwei.

Ein Morgen voller Tatendrang,
Ein Tag, noch ungewiss und grau,
Doch taufrisch fängt die Sonne an
Und färbt die Kuppel himmelblau.

David Damm, 2016

Amselstadtkind

Amselstadtkind

Eines Morgens hinter’m Haus
Hüpften durch des Morgentaus
Wassertropfen, hier und da,
Amselkind und Glitzer-Star.

Amsel,  auf der Brust befleckt,
Hat‘ den Zaun für sich entdeckt,
Und trotz kurzem Vogelschwanz
Hielt sie aufrecht die Balance.

In der schönen neuen Welt,
Hinterhof statt Wald und Feld,
Übte sie den Lobgesang,
Ja, so fängt ein Tag gut an.

David Damm, 2016

Oktober

Städter eilen durch die Straßen,
Wo die Einsamkeit entspringt,
Wenn die Kälte vor den Mänteln
Unter Haut und Leder dringt.

Wolken walzen über Häuser,
Hoch wie Türme steh’n sie starr,
Grau in grau trotzt die Fassade,
Und ein Fenster klappert da.

Regen prasselt gegen Scheiben,
Schirmchen biegen sich gar krumm,
Könnt‘ ich nur ein Stück verweilen,
Und Entfliehen vor dem Sturm.

David Damm, 2013