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Schlagwort: wandern (Seite 1 von 1)

Aussichtslos?

Ein Mensch geht durch ein kluges Land,
Sieht Städte sich mehren wie Körner im Sand,
Und bald schon steht er auf einem Gipfel,
Ein eisiger Wind weht durch die Wipfel,
Die Aussicht ist bombig, doch gibt’s eine Tücke:
Zu Füßen klafft eine riesige Lücke.

Der Regen peitscht auf, durchdringt seine Sachen,
Der Rückweg versperrt durch Bäume, die krachen,
Die Wolken verdunkeln, gleich kommt ein Gewitter,
Steht er dann noch oben, so trifft es ihn bitter,
Am Abgrund wird’s laut, sein Blick wird trüber,
Wer hilft dem Gesell‘     schaf(f)t er es hinüber?

David Damm, 2022

Bianca Körner zelebriert im April auf Instagram den Poesiemonat, den National Poetry Month. Jeden Tag stellt sie eine Aufgabe und ich mache mit.
Die 4. Aufgabe lautete: »Schreibe ein Gedicht mit einem Bruch in der Mitte.«

Ein Sonnenstrahl

Ein Sonnenstrahl traf mein Gesicht,
Ich war verwirrt, denn es regnete nicht,
Da dachte ich, ich müsste gehen
Und mir die ganze Welt besehen.

Ich füllte die Taschen mit reichlich Proviant,
Denn die weite Welt ist ein großes Land.
Ich schritt frohen Mutes die Straße hinan,
Doch bald fing es heftig zu Schütten an.

Die Wolken der Welt hingen über mir fest,
Sie zogen nicht weiter, nicht Ost und nicht West,
Sie weilten und machten die Schleusen auf,
Das Wasser stürzte, ergoss sich zuhauf.

Ich kehrte heim, durchnässt bis aufs Hemd,
Die Haare klebten in die Stirn geschwemmt. –
Eine Kanne mit Tee, ein Brot mit Belag,
So stärkte ich mich, bis ich plötzlich erschrak:

Ein Sonnenstrahl traf mein Gesicht,
Ich war verwirrt, denn es regnete nicht,
Da dachte ich, ich müsste gehen
Und mir erneut die Welt besehen.

David Damm, 2021

Niederschlag

An einer Holzhütte habe ich mein Pausenlager aufgeschlagen,
Auf der ungeschützten Bank sitze ich niedergeschlagen da.
In den Tälern und Niederungen beginnt es kräftig zu regnen,
Es trifft mich wie ein Faustschlag in die Magengrube.
Aus den schwarzgrauen Wolken prasseln die fetten Tropfen hernieder,
Hin und wieder ein grelles Zucken – Blitzeinschlag gefolgt von Donner.
Niedergekauert drücke ich mich an die Wand, verwünsche den Wettergott,
Schon versiegt schlagartig der Wasserfall, Hoffnung keimt in mir auf.
Ein Sonnenstrahl fällt nieder auf mein Haupt, in der Ferne ein Regenbogen,
Dieses Signal ist ausschlaggebend für meinen neu gefassten Mut:
Ein guter Zeitpunkt, mich von meiner Niederlassung zu erheben
Und jedem weiteren Niederschlag zum Trotz meine Reise fortzusetzen.

David Damm, 2021

Gegenden

Gegenden
Erkunden, entdecken,
Hauptsache weiter wandern,
Ein bisschen Trödeln erlaubt,
Noch.

David Damm, 2020

Eines von elf Elfchen, geschrieben am 11. 11., dem Elfchen-Tag.

Weißer Winterwald

Schöner weißer Winterwald,
Wo bist du? Es ist so kalt,
Wünscht‘, ich könnte Wandern gehen,
Deine weiße Welt besehen,
Schritt für Schritt durch tiefen Schnee
Stapfend zum gefror’nen See.
Schöner weißer Winterwald,
Rasch, sonst kommt der Frühling!

David Damm, 2018

Wandersleben

Ein fleißiger Amtsmann aus Wandersleben,
Der wollte hinaus und so band er eben
Die Akten im Bücken
Geschnürt auf den Rücken,
Doch alle bezweifelten: »Kann der’s heben?«

David Damm, 2018

Der junge Stieglitz

Abends wander‘ ich durch Steglitz,
Von der Arbeit mausetot,
Und da sitzt am Weg ein Stieglitz
Frisch betupft mit Gelb und Rot.

Helle Freude wiegt sein Antlitz,
Eifrig pickt er Krumen Brot, –
Doch dann flieht er wie ein Potzblitz,
Weil er glaubt, er wird bedroht.

Fort entschwunden durch den Zaunschlitz,
Fliegt er weit in seiner Not,
Und so tönt das Lied des Stieglitz
Durch das müde Abendrot.

David Damm, 2017

Am Drachenberg

Im raschelnden Laub
Zum Prasseln des Regens
Wand’re ich still durch den Wald.
Die Stadt ist fast lautlos
Fernab von den Wegen,
Ich atme und mache kurz Halt.

Mein Blick geht nach oben
Und schweift durch die Wipfel,
Wo Bäume den Himmel berühr’n.
Ein Specht schlägt die Borke,
Die Vögelein singen,
Ich kann ihre Fröhlichkeit spür’n.

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25 Jahre Mauerfall

Als ich von der Aktion »Lichtgrenze« zum 25-jährigen Jubilium des Mauerfalls erfuhr, wusste ich sofort, dass ich dabei sein wollte. Zu Fuß wollte ich die gesamte, mit Luftballons beleuchtete Strecke von gut 15 Kilometern im Innenstadtbereich ablaufen. Um 13 Uhr gestern startete ich am S-Bahnhof Bornholmer Straße. Bei bestem Herbstwetter mit kühlen Temperaturen und blauem Himmel wartete ich oben auf der Bösen Brücke am S-Bahn-Ausgang auf weitere, mir bis dahin unbekannte Mitwanderer. Trotz der erneut streikenden Bahn waren viele Menschen unterwegs, die sich dieses Ereignis nicht entgehen lassen wollten. Ich vertrieb mir die Wartezeit mit Fotografieren, als ich im Augenwinkel beobachtete, wie ein Mann einen Buchstaben unter die Beschriftung der S-Bahn-Station Bornholmer Straße hielt. Mit lang ausgestrecktem Arm drückte er ein metallenes, angerostetes, kleines »a« nach oben unter den Namen, der in gleicher Schrift in schwarz am S-Bahn-Eingang prangte. Mit Stolz erzählte er, dass er diesen Buchstaben an jenem geschichtsträchtigen Tag zur Erinnerung mitgenommen hatte. Die gesamte Station war damals heruntergekommen, die Scheiben in den Türen zerborsten und der Putz bröckelte von den Wänden. Die Menschen um mich herum, die diese Szene ebenfalls beobachtet hatten, standen mit einem glücklichen Lächeln im Gesicht da. Niemand sagte etwas. Doch die Augen sprachen von Bewunderung. Behutsam nahm der Mann das »a«, das den Anfang einer neuen Zeit bedeutet hatte, wickelte es in Luftpolsterfolie ein und verstaute es in seinem Rucksack.

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