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Telegrafenberg im Skizzenbuch

Es war im September letzten Jahres, als sich die Urban Sketchers Potsdam auf dem Telegrafenberg zum Zeichnen trafen. Die Philosophie der Urban Sketchers, also der urbanen bzw. städtischen Zeichner, ist es, direkt am Ort des Geschehens zu zeichnen und so die Stimmung der Umgebung ungefiltert zu Papier zu bringen. Regelmäßig trifft man sich zum gemeinsamen Skizzieren an einem Ort der Wahl.

Dieses Mal war es der Telegrafenberg in Potsdam. Der Telegrafenberg ist eine bewaldete Erhebung im Süden Potsdams mit einer Höhe von knapp 100 Metern. Das Gelände ist umzäunt und beherbergt den Wissenschaftspark Albert Einstein mit historisch bedeutsamen Gebäuden in bezug auf Astronomie, Meteorologie und Kartografie. Später siedelten sich weitere Wissenschaftszweige an bzw. lösten die alten, unbedeutend gewordenen ab. So betreibt man dort heute astrophysikalische Forschung, Geoforschung, Klimafolgenforschung, Polar- und Meeresforschung.

Von Potsdam Hauptbahnhof lässt sich der Telegrafenberg in gut 20 Minuten zu Fuß erreichen, immer den Berg hinauf, am Kletterwald vorbei. Dann mutig durch die Pforte treten und dem Pförtner freundlich zunicken. Hinter dem Pförtnerhäuschen links halten und dem Anstieg weiter nach oben folgen.

Ich kam ein wenig verspätet, weil in Berlin ein türkischer Staatsbesuch die gesamte Innenstadt und S-Bahn lahm gelegt hatte, und verpasste so die kleine Führung über das Gelände. Umso erstaunter war ich bei Erreichen der Bibliothek, dass fast zwanzig Leute bei schönstem Herbstwetter den Weg hierher gefunden hatten. Wir nahmen uns 90 Minuten Zeit zum Zeichnen und verstreuten uns in verschiedene Richtungen. Viele zog es jedoch zunächst zum Einsteinturm, quasi dem Wahrzeichen des Telegrafenbergs. Der Einsteinturm ist nach dem Physiker Albert Einstein benannt. Der 1922 fertiggestellte Turm diente als Observatorium und sollte helfen, die Relativitätstheorie anhand von Experimenten zu bestätigen.

Das Zeichnen

Sicher zehn Leute verteilten sich auf Bänken, auf der Wiese oder stellten ihren mitgebrachten Klappstuhl auf. Andere standen irgendwo am Wegesrand, nachdem eine interessante Perspektive gefunden worden war. Ich zückte meinen Aquarellblock samt Bleistift und Fineliner aus dem Rucksack und begann mit der Vorzeichnung. Danach zog ich die groben Linien mit dem Fineliner nach und fügte Details hinzu.
Als es an das Auftragen der Aquarellfarbe ging, wurde es etwas kompliziert. Die Handhabung der Utensilien – Block, Wasserglas, Pinsel, Farbkasten – gestaltete sich schwierig, da ich, fast im Gestrüpp stehend, keine Abstellfläche hatte. So musste der Rucksack auf dem Boden liegend als Provisorium dienen.
Während des Zeichnens mochte ich es, zu Beobachten wie die anderen emsig ihre Motive zu Papier brachten und jeder in seiner eigenen Geschwindigkeit und Detailverliebtheit arbeitete. Manch einer wechselte nach einer halben Stunde den Standort, um auf dem weitläufigen Areal weitere Eindrücke festzuhalten, andere waren gerade dabei, mit dem Pinsel Farbe auf die weiße Fläche zu werfen. Ich benötigte die komplette Zeit für das Motiv des Einsteinturms und arbeitete es später zuhause noch nach, indem ich die Farben intensivierte, einen blauen Himmel und Schrift hinzufügte.

Überraschende Resonanz

Unser Treiben auf dem Telegrafenberg war nicht unbemerkt geblieben und so kam es, dass, nachdem einige Ergebnisse in den sozialen Medien gepostet worden waren, jemand aus der GFZ-Bibliothek auf uns zu kam und fragte, ob wir uns eine kleine Austellung vorstellen könnten. Die Entscheidung war schnell getroffen. Zwölf Teilnehmer des Sketchwalks wollten mitmachen.
Doch damit hatten wir auch ein Problem: von jedem nur eine Zeichnung auszustellen, zumal meist höchstens in A4, war ein bisschen wenig. Die Lösung war aber nicht schwierig, denn wir mussten nur ein weiteres Mal auf den Berg. So kamen zu den anfänglich zahlreichen Einsteintürmen noch vielfältige Motive wie der große Refraktor, die GFZ-Blibliothek und das PIK-Gebäude hinzu.

Ich entschied mich, meiner Faszination zu Türmen folgend, für den Helmert-Turm als Ensemble mit dem Meridianhaus und einem Mirenhäuschen. Der Helmert-Turm ist 15 Meter hoch und diente einst um 1900 als Fundamentalpunkt in der Landvermessung. Heute leidet er jedoch stark unter den Folgen der Korrosion und müsste dringend in Stand gesetzt werden. Sollten genug Spenden für die Sanierung zusammen kommen, ist sogar geplant, ihn als Aussichtsturm begehbar zu machen.

Ausstellungsvorbereitungen

Wir hatten einige Monate Zeit, bis im Frühjahr 2019 die Ausstellung eröffnet werden sollte. Von der GFZ-Bibliothek wurden uns der Raum, Bilderrahmen und Werbemittel zugesagt. Wir entwarfen einen Flyer und Poster, sammelten die Werke von den teilnehmenden Künstlern ein, bereiteten Beschriftungen für die Bilderrahmen vor, organisierten  musikalische Unterhaltung, rührten ordentlich die Werbetrommel, hängten eine Woche vorher die Bilder, besorgten 12 Flaschen Sekt und  backten und kochten am Tag der Eröffnung für ein kaltes Buffet für die Gäste.

Vernissage

Und dann war es so weit. Der 28. Februar um 16 Uhr. Wir waren ein bisschen aufgeregt und stolz. Für mich war es die erste Ausstellung, auf der ich meine Bilder zeigen durfte.
Die kleine Bibliothek füllte sich rasch mit knapp 50 Personen. Wir ließen die Sektkorken knallen, füllten die Gläser und stießen nach einer kurzen Ansprache mit Freunden und Gästen auf uns und unsere Werke an. Die Band spielte angenehme Loungemusik. Man konnte genüsslich von Bild zu Bild wandern und es in Ruhe aus der Nähe betrachten. Manch eines hatte schon einen roten Punkt geklebt bekommen, doch ob es direkt verkauft worden oder gar unverkäuflich war, blieb ein Geheimnis.
Zwei Stunden tranken und aßen und diskutierten wir, bis der letzte Gast zufrieden die Bibliothek verlassen und eben diese geschlossen wurde.

Zum feierlichen Abschluss zog ein Teil der glücklichen Aussteller in die Innenstadt Potsdams, um dort in einem jugendlichen Lokal mit Wohnzimmeratmosphäre – das 11-line an der Elfleinstraße – den Abend gebührend, lachend und gegenseitig zeichnend ausklingen zu lassen.

Eine schöne Überraschung: die Potsdamer Presse war zur Vernissage vor Ort gewesen und veröffentlichte am Samstag, also einen Tag später, einen kleinen Artikel in der PNN.

Was: Ausstellung „Telegrafenberg im Skizzenbuch“
Wo: Bibliothek des Wissenschaftsparks Albert Einstein
Wann: 22. Februar 2019 – 26. April 2019, verlängert bis 28. Juni 2019, Mo – Do: 9.00 – 16.30 Uhr, Fr: 9.00 – 15.00