Es lebte in einem versteckt dunklen Wald
Ein Rabe von finsterster Vogelgestalt.
Die Brüder und Schwestern warf er aus dem Nest,
Die rabigen Eltern stieß er vom Geäst,
Er wollte nichts teilen, denn alles war sein,
Der Rabe war gierig und tückisch gemein.

Es lebte an einem hell plätschernden Fluss
Ein Bär, der schon lange gelebt haben muss,
Am liebsten lag er auf dem faulen Pelz
Am quirligen Ufer auf kühlendem Fels,
Die Fische, die sprangen und konnten froh sein,
Er mochte nur Träumen von Honig allein.

Es lebte an einem sehr fruchtbaren Feld
Ein Mensch, der den Acker mit Saatgut bestellt‘,
Er schuftete täglich von früh bis zur Nacht,
Er hat nur an’s Wohl der Familie gedacht,
Doch wegen der Arbeit blieb ihm wenig Zeit
Für Frau und die Kinder und Herzlichkeit.

Im Abendlicht zog es den hungrigen Bär
Zum Hause des Bauern, es lockte ihn sehr
Der süßliche Duft, ein Topf stand vor’m Haus –
Rhabarbar mit Honig – und kühlte noch aus.
Der Bär schlich sich vorsichtig tastend heran,
Er spitzte die Ohren – doch was geschah dann?

Der Rabe flog über den Bären hinweg,
Er kreiste und suchte den lohnensten Fleck.
Er stürzte hinab auf den Acker und fraß
Die Körner so schnell, dass er leider vergaß,
Sich zu vergewissern, dass niemand ihn stört,
Doch hatte der Mensch längst das Krächzen gehört.

Der Mensch wurde wütend, nahm Kimme und Korn,
Und schoss mit der Flinte, er tobte vor Zorn.
Es stoben die Federn des Raben umher,
Er krächzte noch einmal, dann war er nicht mehr.
Der Bär nahm die Tatzen geschwind in die Hand
Und schwamm über’n Fluss, wo der Mensch ihn nicht fand.

Am ganz frühen Morgen erwachte der Bär,
Die Sonne ging auf und er wusste nicht mehr,
Was gestern geschehen, die Sorgen war’n fort –
Ein Töpfchen Rhabarber mit Honig stand dort.
Und wenn dieser Bär nicht gestorben ist,
Dann sitzt er noch immer am Ufer und frisst.

David Damm, 2020

Dieses Gedicht wurde im Rahmen der Juniverse-Challenge verfasst.